Workload
Viele Fächer an den Hochschulen kranken seit der Einführung des Bachelor/Master-Systems (kurz: BA/MA) an einem unrealistisch hohen Workload. Das hat nicht nur die Studierbarkeitsstudie der beiden studentischen Listen im Akademischen Senat der HU, der Offenen Linken und Liste unabhängiger Studierender ergeben, sondern wird auch jedes Jahr aufs Neue von diversen Studien, wie z.B. der Sozialerhebung des Studentenwerks oder dem Hochschul-Informations-System (HIS) bestätigt.
Als Folge verlängert sich die Studienzeit teilweise erheblich, was wiederum dazu führt, dass die Hochschule dank der leistungsbezogenen Mittelvergabe weniger Geld bekommt. Nichtsdestotrotz gibt es bis heute keine oder nur geringfügige Reduktionen des Arbeitsaufwands.
Der Workload bemisst sich nach sog. Studien- oder Leistungspunkten, auch ECTS-Punkte genannt, wobei ein Studienpunkt 30 Zeitstunden beinhaltet. Folglich darf – oder besser gesagt "dürfte" - der Arbeitsaufwand die für eine Veranstaltung veranschlagten Studienpunkte nicht überschreiten.
Um selbst zu überprüfen, ob der Workload korrekt in Eurem Studium berechnet wird, ist für zweistündige Veranstaltungen immer folgende Grundregel anzuwenden: Ein Punkt ist immer (!) für die Anwesenheit zu verwenden. Manch ein_e bürokratische_r Studiengangsentwickler_in zeichnet sich dadurch aus, dass nur die tatsächlich abgesessenen 90 Minuten und nicht zwei volle Stunden angerechnet werden. Ein weiterer Punkt sollte immer für die nichtschriftliche Vor- und Nachbereitung (Lesen von Texten, Rekapitulieren der Veranstaltung usw.) vergeben werden. Wenn der Leseaufwand für das Seminar höher ist oder die Texte im Vergleich zu ähnlichen Veranstaltungen außergewöhnlich anspruchsvoll sind, müssen eben auch mehr Punkte für die Lektüre vergeben werden.
Alle weiteren Punkte stehen zur freien Verfügung der Lehrkräfte.
Vorgaben, in welcher Zeit was erledigt werden soll, gibt es allerdings nicht. Und so veranschlagt eine Lehrkraft für ein Referat 30 Stunden, also einen Leistungspunkt, während die andere Lehrkraft für ein Referat nur 10 Stunden ansetzt und in den verbleibenden 20 Stunden andere Arbeitsaufgaben vergibt. Die Optionen hierfür sind mit Protokollen, Sitzungsvorbereitungen, Essays, Tests, zusätzlichen Referaten, Sitzungszusammenfassungen etc. schier unendlich.
Dabei benötigt es nicht mehr als den gesunden Menschenverstand, um zu erkennen, dass eine 15-seitige Hausarbeit nicht mit zwei Studienpunkten, also 60 Stunden, zu bewältigen ist. Das würde bedeuten, dass, ausgehend von einem Acht-Stunden-Tag, diese 15 Seiten innerhalb von 7,5 Tagen geschrieben werden müsste, inklusive Literaturrecherche, Lesen der wissenschaftlichen Literatur, erarbeiten des Argumentationsfadens und der Niederschrift.
Es empfiehlt sich grundsätzlich, die Studiendekan_innen und den jeweiligen AStA/Referent_InnenRat über zu hohe Anforderungen zu informieren, im Zweifelsfall auch anonym. Zwar wurde 2010 im AS der HU auf Antrag der linken Studierendenvertreter_innen eine Forderung der studentischen Vollversammlung der HU verabschiedet, dass alle Studiengänge einer eingehenden Prüfung unterzogen werden sollen. Jedoch wurde schon wenige Tage später der Masterstudiengang Sportwissenschaften durchgewunken, bei dem im ersten Semester vier bis sieben Hausarbeiten geschrieben werden müssen. Punkte für Vor- und Nachbereitung gibt es darin nicht.
Auch die Regelung des AS der HU, dass nur 25 Stunden Arbeit pro Studienpunkt geleistet werden müssen, ist mit der Neufassung der ZSP wieder auf 30 Stunden erhöht worden, da mittlerweile angeblich genug gegen die hohe Studienbelastung getan wurde. Die realen Studienzeiten und Abbruchquoten sagen jedoch etwas anderes.
Eine Überlegung sei noch erlaubt. Grundsätzlich wird den studentischen Vertreter_innen in den Gremien, immer wieder erklärt, dass die vergebenen Punkte ausreichen würden, um das Verlangte auch tatsächlich zu erfüllen. Dabei wird aber grundsätzlich vergessen, dass eine Leistung, egal ob nun Studien- oder Prüfungsleistung, nicht nur absolviert, sondern auch erfolgreich (!) absolviert werden will. Selbstverständlich ist es möglich, eine 15-seitige Hausarbeit inklusive Literaturrecherche, Lese- und Reflektionszeit in 7,5 Tagen (2 ECTS-Punkte bei 8h/Tag) oder auch nur, um es auf die Spitze zu treiben, in 3 Tagen zu schreiben. Das Ergebnis möchte bloß niemand lesen!
Der Lernerfolg für Studierende beschränkt sich dabei ebenfalls auf ein Minimum. Es muss Studierenden vor allem im BA/MA-System, in dem jede Note zählt, möglich sein, so viel (angemessene) Zeit für eine Arbeit aufzuwenden, dass sie selbst damit zufrieden sind und bei der Abfassung auch etwas lernen. In der Realität scheint es doch eher so, dass für eine Note mit einer Eins vor dem Komma, von Studierenden meist viel mehr Zeit aufgewendet wird, als in den Modulbeschreibungen angegeben ist. Und dort beginnt ein zu hoher Workload sich auf die Studienzeit auszuwirken und bei Überschreitung drohen dann Zwangsmaßnahmen.
Der Tag hat überraschenderweise nur 24 Stunden, dass müssen auch die Verantwortlichen für die unrealistische Punktevergabe endlich einsehen!